Deutschlands Industrie beendete das Jahr 2024 mit einem nicht zu übersehenden Abschwung. Der HCOB Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fiel laut Reuters im Dezember auf 42,5 – der 18. Monat in Folge mit rückläufiger Aktivität. Die Produktion nahm ab, Auftragsbestände schrumpften und der Ausblick blieb getrübt. Gleichzeitig blieb der Energiemarkt in Europa volatil: Strom- und Gaspreise stiegen unvorhersehbar, und auch globale Rohstoffkosten schwankten wöchentlich.
In diesem Umfeld benötigen Cost Engineers neue Wege, um bereits in frühen Projektphasen belastbare Kostenschätzungen zu liefern – auch bei fehlenden Daten. Produktkosten-Software schafft genau diese Struktur für Kalkulationen unter Unsicherheit und ermöglicht es Teams, schneller voranzukommen, ohne an Genauigkeit zu verlieren.
Der traditionelle Ansatz passt nicht mehr zur aktuellen Dynamik
Die aktuellen Störungen verändern nicht nur den Alltag in der Fertigung, sondern auch, wie Unternehmen Produkt- und Beschaffungsentscheidungen treffen. Laut dem KPMG Global Procurement Outlook 2024 nennen 83 % der Einkaufsverantwortlichen Inflation und volatile Rohstoffpreise als größte externe Herausforderung. Unter diesen Bedingungen wird es immer schwieriger, auf stabilen, bestätigten Eingabedaten zu kalkulieren.
Die Entwicklungszyklen verkürzen sich – besonders in der Automobil- und Investitionsgüterindustrie. Laut McKinsey werden über 60 % der Kostenentscheidungen getroffen, bevor Spezifikationen oder Lieferanten final feststehen. Cost Engineers sind somit früher im Prozess gefragt, arbeiten jedoch mit unvollständiger Sicht auf Design, Fertigung oder Lieferkette.
Traditionelle Kalkulationsansätze sind dieser Realität nicht gewachsen. Von Cost Engineers wird erwartet, frühe Entscheidungen mit Zahlen zu unterstützen, die auch in späteren Verhandlungen Bestand haben. Ohne geeignete Tools steigt das Risiko von Nacharbeit, Abstimmungsproblemen und Konflikten mit Lieferanten.
Immer mehr Unternehmen setzen deshalb auf simulationsbasierte Kalkulationen. Diese ermöglichen es, Modelle schrittweise zu verfeinern – mit klarer Struktur und nachvollziehbarem Verlauf. So können auch frühe Schätzungen reale Entscheidungen stützen.
Vom „Best Guess“ zur strukturierten Simulation
Die zentrale Frage ist nicht mehr, ob man auf perfekte Daten warten sollte, sondern wie man auf Basis des aktuellen Informationsstands fundierte Vergleiche anstellen kann. Genau hier liegt der Mehrwert spezialisierter Produktkosten-Software. Sie ermöglicht es, erste Modelle auf realistischen Annahmen aufzubauen und diese konsistent weiterzuentwickeln, sobald neue Informationen vorliegen.
Tset-Experte Jakob Etzel berichtet, dass viele Nutzer*innen bereits dann mit der Kalkulation beginnen, wenn nur 60 bis 70 % der Eingangsdaten vorliegen. Das klingt wenig – spiegelt aber die Geschwindigkeit heutiger Entscheidungen wider. Business Cases müssen bewertet, Sourcing-Strategien entwickelt und Produktkonzepte rückgekoppelt werden – unabhängig davon, ob schon alle Details vorliegen.
Was bedeutet „60–70 % der Daten“ konkret? Typischerweise gehören dazu:
- Erste Geometrien
- Erwartete Stückzahlen
- Allgemeine Herstellungsverfahren (z. B. Gießen, Zerspanung)
Was fehlt: Lieferantenpreise, Logistikdetails oder Werkzeugkosten.
Mit einer sogenannten Greenfield-Simulation starten Teams in ein ideales Produktionsszenario mit Best-Practice-Daten zu Kosten und CO₂. Sobald interne Einschränkungen oder Lieferantenbedingungen bekannt sind, wird daraus ein Brownfield-Modell, das die realen Produktionsbedingungen abbildet.